Anlaufstelle

Empfehlung des Initiativkreises zur Einrichtung eines Kompetenzzentrums für traumatisierte Flüchtlinge in Freiburg

Wer sind wir?

Bereits im September 2014 hat sich aufgrund der mangelhaften Versorgung traumatisierter Flüchtlinge ein Kreis von Fachleuten zusammengesetzt, um eine Anlaufstelle für traumatisierte Flüchtlinge in Freiburg  ins Leben zu rufen. In einem kontinuierlichen Prozess wurden inzwischen Mitarbeiter aller maßgeblich an der Flüchtlingsversorgung beteiligten Institutionen und Verbände beteiligt: Sozial-und Jugendamt sowie Amt für Wohnraumvermittlung der Stadt Freiburg, Waisenhausstiftung, Uniklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Caritas, Diakonie, Christophorus Jugendwerk, Deutsches Rotes Kreuz, Staatliches Schulamt (psychologischer Dienst), Die Wiese , PAMF, Freiburger Vereinigung zur Hilfe für psychisch kranke Kinder und Jugendliche (federführende Koordination). Seitens der Waisenhausstiftung wurde eine Bedarfsanalyse und wissenschaftliche Recherche bei Herrn Prof. Dr. Höfflin von der evangelischen Hochschule Ludwigsburg in Auftrag gegeben, welche die nachfolgenden Empfehlungen wissenschaftlich untermauert.

Warum braucht Freiburg ein Kompetenzzentrum für traumatisierte Flüchtlinge ?

In Freiburg leben derzeit 3735 Flüchtlinge (Stand März 2016); etwa die Hälfte aus den Bürgerkriegsländern Syrien, Irak und Afghanistan; darunter ist ein hoher Anteil von Kindern (42 %). Nach wissenschaftlichen Untersuchungen hat etwa ein Drittel dieser Menschen traumabedingte Folgestörungen. Nicht alle brauchen eine spezifische Psychotherapie, denn zu allererst ist eine Stabilisierung der Lebenssituation und eine gesicherte Perspektive notwendig („safety first“). Aber im weiteren Verlauf sind Traumafolgestörungen mit psychosomatischen Störungen, Flashbacks, Schlafstörungen, schweren dissoziativen Zuständen oder aggressiven Spannungszuständen ein Hindernis für die schulische Integration der Kinder und die berufliche Eingliederung der Erwachsenen. Sie verursachen nicht nur großes persönliches Leid sondern auch enorme Folgekosten für unser Sozialwesen.

In ganz Baden-Württemberg gibt es psychosoziale Beratungsstellen für traumatisierte Flüchtlinge – mit Ausnahme eines weißen Flecks auf der Landkarte in Südbaden, welcher seit 2006 besteht, als die Beratungsstelle des Roten Kreuzes aus Geldmangel schließen musste. Sowohl von wissenschaftlicher Seite als auch von den Praktikern vor Ort wird das seit vielen Jahren als ein erheblicher Missstand benannt. Bundes- und Landesmittel für diese Zentren in erheblicher Höhe können von unserer Region in Ermangelung einer entsprechenden Institution nicht abgerufen werden.

Welche Aufgaben muss ein Kompetenzzentrum für traumatisierte Flüchtlinge leisten?
  1. Als Anlaufstelle für die traumatisierten Menschen soll ein Clearing und eine Vermittlung an niedergelassene Therapeuten erfolgen. In Einzelfällen wird diese Vermittlung nicht gelingen; dann sollen auch Therapien im Kompetenzzentrum durchgeführt werden. Niederschwellige alternative Behandlungsformen (zum Beispiel psychoedukative Gruppen für Jugendliche) sollen entwickelt und in das soziale Feld hinein (zum Beispiel Schulen) verbreitet werden.
  2. Sozialarbeiter, Lehrer, ehrenamtliche Helfer sind mit traumatisierten Flüchtlingen konfrontiert. Oftmals erkennen sie die Störungen nicht oder sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Das Kompetenzzentrum soll hier Abhilfe schaffen durch entsprechende Fortbildungsangebote.
  3. Traumatisierte Flüchtlinge brauchen oftmals ein berufsgruppenübergreifendes Angebot von Psychotherapie, Sozialarbeit, rechtlicher Beratung und konkreten Hilfen. Dies ist im rein medizinisch-psychotherapeutischen System genauso wenig zu leisten wie durch bloße Sozialarbeit. Im Kompetenzzentrum soll eine interne und externe Vernetzung der jeweiligen Notwendigkeiten erfolgen.
  4. Psychotherapie mit Flüchtlingen braucht oftmals Dolmetscher, besondere Kenntnisse über die Herkunftsländer und stellt die Psychotherapeuten vor neue Herausforderungen. Um erfolgreich arbeiten zu können, brauchen Sie hierbei die Unterstützung eines Kompetenzzentrums.
Was kostet ein Kompetenzzentrum für traumatisierte Flüchtlinge?

Größe und Budget der psychosozialen Zentren in Baden-Württemberg schwanken erheblich. Ein typisches Zentrum versorgt etwa 325 Klienten im Jahr und arbeitet mit einem Budget von etwa 230.000 €. Neben den Räumlichkeiten sind eine Verwaltungsfachkraft, Mitarbeiter für Sozialarbeit und Psychologie/Psychotherapie vorzuhalten. Freiburg als Oberzentrum sollte hier einen Anfang machen und in Vorleistung treten. Baldmöglichst sind die umliegenden Landkreise in die Versorgung und entsprechend auch die Finanzierung mit einzubeziehen. Ein solches Zentrum wird nur dann nachhaltig gute Mitarbeiter gewinnen und effektiv arbeiten können, wenn es finanziell auf einer soliden Basis steht. Erst mittelfristig ist zu erwarten, dass über Stiftungen oder Fördergelder eine ergänzende Finanzierung möglich sein wird. Längerfristig sind auch andere Organisations- und Finanzierungsmodelle zu prüfen.

Weiterführende Informationen: Die wissenschaftliche Recherche der evangelischen Hochschule Ludwigsburg wurde im Auftrag der Stiftungsverwaltung Freiburg erstellt und ist dort abrufbar: roemer.h@sv-fr.de

Ansprechpartner: Diese Empfehlungen wurden im Auftrag des Initiativkreises  von              Dr. Martin Sieber, Vorsitzender der Freiburger Vereinigung zur Hilfe für psychisch kranke Kinder und Jugendliche, erstellt. Sie wurden mit den Beteiligten konsentiert. Stand 15.7.16. Mail: martinsieber@t-online.de